Chasing Cancellara Zürich – Zermatt “Ich bin Finisher”

Ende 2018 las ich zum ersten Mal vom Velorennen Zürich-Zermatt, einem Anlass aus der Serie Chasing Cancellara.

Ich war sofort fasziniert und der Gedanke an diese riesen Herausforderung liess mich nicht mehr los. Nach langer, reifer Überlegung entschloss ich mich, als Single-Athlet teilzunehmen.

Anfangs Jahr 2019 begann ich mit dem Training für das grosse Rennen, welches über 290 km und 7000 Höhenmeter führt.

Das Datum des Events ist auf den 19. September festgelegt und so blieben mir 8 Monate für die Vorbereitung.

Dank des guten Wetters und der warmen Temperaturen im Februar und März, konnte ich sehr gut trainieren. Im April vereiste ich für eine Woche in die Veloferien nach Gabicce Mare, um eine gute Basis zu legen. So verlief die Vorbereitung bis zum grossen Tag sehr gut und ich fühlte mich in Form.

Am letzten Mittwoch war es nun soweit und die Nervosität stieg immer mehr. Habe ich alles richtig gemacht? Wie wird der Tag verlaufen? Schaffe ich es? All diese Fragen gingen mir durch den Kopf.

Bereits um 17:30 war ich in Zürich, um die letzten Anmeldeformalitäten zu erledigen und die Startunterlagen abzuholen.
Gestartet wurde gestaffelt. Da meine Startzeit erst um 1.55 Uhr war, musste ich eine lange Wartezeit überbrücken.
Um 19.45 gab es ein Race-Briefing, aber sonst waren wir uns selbst überlassen.
Cornelia hat mich nach Zürich begleitet, und leistete mir Gesellschaft, musste dann aber nach Hause.
In der verbliebenen Wartezeit traf ich letzte Vorbereitungen und versuchte mich zu relaxen.

center

Dann war es soweit – Mein Start ins Abenteuer nach Zermatt hatte begonnen. Ich habe mir vorgenommen, nicht zu schnell anzufahren, denn der Tag war lang und es lagen harte und lange Anstiege vor uns.
Auch bei der Verpflegung wollte ich mir genügend Zeit nehmen, um genug zu essen und zu trinken.
Beide Vorhaben habe ich auch durchgezogen.

Die Nacht war sehr kalt und es herrschte starke Biese. Deshalb entschied ich mich für lange Beinstulpen und Schuhüberzüge und hatte nie das Gefühl zu frieren. Durch die feuchte Nachtluft wurden meine Kleider aber schnell nass.

Ich war deshalb sehr froh, dass Cornelia anerboten hatte, am morgen früh extra nach Buttisholz zu fahren. Dank ihr konnte ich so nach den ersten 80 Kilometer die nassen Kleider gegen trockene eintauschen, einen warmen Schluck Kaffee trinken und 2 Bidons mit meinem eigenen Iso-Getränk fassen.

Von Buttisholz ging es hinunter nach Wolhusen bevor der Weg dann in die Berge führte. Zuerst folgte der Aufstieg nach Entlebuch, weiter nach Schüpfheim. Dort ging es links weg nach Sörenberg und weiter hinauf zum Glaubenbielen - dem ersten Pass.

Anschliessend ging es über den Brünig nach Innertkirchen, zu einer weiteren Verpflegung. Bis dahin lief es mir super und ich hatte gute Beine. Ich hatte bis da auch schon einige Teamfahrer überholt, was mich auf der einen Seite motivierte, auf der anderen Seite aber auch verunsicherte, ob ich doch zu schnell unterwegs war.

Was nun folgte, war das Dach des Rennes, der Grimselpass. Ich hatte sehr grossen Respekt davor, denn es war ein Aufstieg über 25 km und 1600 Höhenmeter – und das nachdem ich bereit über 3300 Höhenmeter in den Beinen hatte. Deshalb ging ich es verhalten an und liess mich durch andere auch nicht verleiten. Meine Zurückhaltung gab mir Recht, denn in der zweiten Hälfte konnte ich viele Fahrer wieder überholen.
Beim Aufstieg war der Neben zwischenzeitlich so dicht, dass man die Strasse vor sich nicht mehr erkennen konnte - ein sehr unangenehmes Gefühl.

Kurz vor der Passhöhe, in den letzten paar Kehren, zeigte sich dann die Sonne. Die letzten Kilometer waren hart aber als ich oben ankam, war ich glücklich und erleichtert.
Was nun folgte war als Belohnung eine lange Abfahrt hinunter ins Wallis. Leider wurde mir ein kurzer Tunnel zwischen Gletsch und Oberwald zum Verhängnis. Der Boden bestand aus nassem Kopfsteinpflaster, was ich im Voraus nicht sehen konnte, weil der Tunnel unbeleuchtet war. Ich rutschte mit dem Rad weg und prallte mit der Schulter gegen die Wand. Zum Glück konnte ich weiterfahren, wenn auch etwas behindert. Doch jetzt aufgeben, das war keine Option.

In Ulrichen habe ich mich nochmals verpflegt, Bidons gefüllt und dann ging es das Wallis hinunter über Fiesch, Brig nach Visp zum zweitletzten Verpflegungsposten. Ich hatte mich wieder etwas gefangen und sah das Ziel vor Augen.

Was nun folgte, war nochmals echt hart: Zum Abschluss, nochmals rund 40 km und 1100 Höhenmeter hoch nach Zermatt.
Zuerst konnte noch etwas gerollt werden, dann begann der Aufstieg nach Stalden und weiter nach St. Niklaus. Durch die Dörfer war es zum Glück kurz etwas flach, ideal zum Verpflegen. Der Aufstieg nach Randa hatte es nochmals in sich, war dieser doch 12% steil. Dann führte es uns weiter nach Täsch, zur zweitletzten Zeitmessung und letzten Verpflegung.

Da ich noch einen halbvollen Bidon hatte, stoppte ich nicht mehr und nahm die letzten 6 km Aufstieg nach Zermatt in Angriff. Ich mobilisierte die letzten Kräfte und überholte sogar noch ein paar Athleten. In Zermatt angekommen fuhren wir durchs ganze Dorf und wurden dabei von zahlreichen Zuschauern angefeuert und im Ziel frenetisch gefeiert.

Die Zielankunft war für mich ein sehr grosser Moment, welchen mich zu Tränen rührte.

Ich war überglücklich, diese grosse Herausforderung geschafft zu haben.

Im Ziel stellten die Sanitäter bei meiner Schulter zum Glück «nur» eine Prellung fest, aber nachdem nun die ganze Anspannung abfiel, spürte ich die Schmerzen im ganzen Körper.
Ich hätte nicht gewusst, wie ich mit Velo und Gepäck nach Hause gekommen wäre, und war deshalb sehr dankbar, dass Cornelia nach Ihrer Arbeit direkt nach Zermatt hochkam, um mich abzuholen. Zusammen fuhren wir nach Hause und ich erzählte meine Erlebnisse.

Ja, es war hart, aber auch schön und ich bin stolz, dass ich diese grosse Herausforderung so gut geschafft habe.

Die Medaille und das Foto mit Fabian Cancellara bekommen sicher einen Ehrenplatz.

20. September 2019

<<< back